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Allgemein: Die Provinzgeier aus Paderborn

Von Werner Schulte

Kniet nieder ihr Bauern, der FC Bayern kommt! Schlagzeilen, mit denen künftig zu rechnen ist. Schließlich mischen diese Provinzgeier vom SC Paderborn jetzt tatsächlich in der Beletage des bundesdeutschen Profifußballs mit. Was erlaube SCP? Weite Teile der Medienlandschaft entdecken am Wohnsitz des Erstligaaufsteigers zurzeit fast ausnahmslos verstaubte Landeier, die irgendwo weit jenseits von Hintertupfingen beheimatet sind.

"Das Wunder von Paderborn", war auch dem WDR-Fernsehen eingangs dieser Woche ein halbstündiger Beitrag wert. "Dem Präsidenten gehört das örtliche Möbelhaus", hieß es da. Gut zu wissen, dass Paderborn sogar - wohlgemerkt - EIN Möbelhaus besitzt. Kein Wort über das mittelständische Imperium von Wilfried Finke. Der betreibt beispielsweise weitere Filialen in Erfurt und Jena und ist mit angestrebten 400 Millionen Euro Jahresumsatz in der Branche nun wahrlich keine schlechte Hausnummer. Zu erfolgreich dieser Mann, passt eigentlich so gar nicht ins Bild der Beschreibung vom ausgewachsenen Kleinbürgertum Paderborns.

 

Wie die wohl jemals die Münchner Allianz-Arena oder das Berliner Olympiastadion finden wollen? Diesen Tenor vermitteln all diese Geschichten. Nichtwissen, schlechte Recherche, böser Wille oder was auch immer. Schließlich spielt der SCP schon seit 2005 regelmäßig im Nobel-Tempel der bajuwarischen Hauptstadt - zwar nicht gegen Bayern, sondern "nur" gegen den TSV 1860. Auch das Berliner Olympia-Stadion ist für den SC Paderborn längst kein Neuland mehr. Bekanntlich lässt sich auch die Hertha zwischenzeitlich immer mal wieder in der 2. Liga blicken. Alles vergessen, oder was? Haufenweise weiterer Beispiele positiver Begleiterscheinungen ließen Paderborn in einem völlig anderen Licht erscheinen, wenn all diese Fakten von der vereinten Ignoranten-Gilde mal gründlich durchleuchtet und wirksam transportiert würden. Mit Dieter Hecking (Wolfsburg), Jos Luhukay (Berlin) und Roger Schmidt (Leverkusen) werden in der kommenden Saison schon drei etablierte Teams im Oberhaus von ehemaligen Paderbornern betreut. Das hat eigentlich noch niemand erwähnt. Auch Professor Dr. Heinz Liesen wird lieber verschwiegen. Der ehemalige Leiter des Sportmedizinischen Instituts der Uni Paderborn erlebte die siegreiche WM 1990 unter Teamchef Franz Beckenbauer als Mannschaftsarzt der DFB-Auswahl. Bliebe noch pauschal zu ergänzen, dass die hiesigen Squasher, Baseballer, Basketballer, Sportschützen oder Leichtathleten seit geraumer Zeit schon nationale und zum Teil internationale Erfolge am Fließband produzieren.

Kurzum: In Relation zur Einwohnerzahl ist Paderborn die im Breiten- und Spitzensport wohl am besten aufgestellte Sportstadt der Republik. Das vom Verein "Pro Leistungssport" ins Leben gerufene Talentsichtungs- und Förderprogramm wird inzwischen sogar bundesweit kopiert. Eine schier unendliche Erfolgsstory, die völlig auf der Strecke bleibt. Medienbeiträge unterliegen grundsätzlich dem Gesetz der journalistischen Sorgfaltspflicht, an die sich manche Berufskollegen mal wieder erinnern sollten. Gerade vom regionalen Haussender hätte der Zuschauer ein nahezu perfektes und reales Paderborn-Porträt erwarten dürfen. An Insider-Wissen dürfte es beim WDR nicht mangeln. Jedenfalls hat der SC Paderborn seine Mitgliederzahl mit guter Arbeit binnen kürzester Zeit verdreifacht. Beim ewigen Buhlen um bessere Einschaltquoten sollte sich so mancher Sender ein Beispiel nehmen.

© 2014 Neue Westfälische, 15 - Paderborn (Kreis), Samstag 17. Mai 2014