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Allgemein: Sportverein als soziale Stütze

Wissenschaftler Brettschneider und Gerlach stellen erstmals umstrittene Studie vor

Paderborn. Sie hat deutschlandweit für Aufregung und einen empörten Aufschrei von Sportvereinen und -verbänden gesorgt: Die im Oktober 2013 veröffentlichte Studie "Aufwachsen mit Sport" des Paderborner Sportwissenschaftlers Wolf Dietrich-Brettschneider und seines Potsdamer Kollegen Erin Gerlach. Jetzt stellten die beiden Professoren ihre Ergebnisse in der Paderborner Uni erstmals der Öffentlichkeit vor und anschließend zur Diskussion.

"Der Verein erweist sich als Ort, an dem das Trinken von Alkohol nicht nur kultiviert, sondern auch gelernt wird" - so lautet ein Ergebnis der Studie, das in der Öffentlichkeit besonders hitzig diskutiert worden ist. "Dabei würde niemand sagen, dass das Ergebnis verwunderlich ist", meinte Brettschneider. Die Ergebnisse seien im Vergleich zu anderen empirischen Studien "nicht aus dem Rahmen gefallen", deckten sich aber schlichtweg nicht mit den Erwartungen des organisierten Sports.

Anders das Resultat, dass der Verein hinsichtlich des Nikotinkonsums als protektive Zone diene. "Diejenigen, die schon immer im Verein waren, rauchen am Wenigsten", so Brettschneider, "doch das wird leider nicht zur Kenntnis genommen."

Ähnlich weitere positive Ergebnisse der Studie: So diene der Sportverein als soziale Stütze bei der Bewältigung kritischer Lebensereignisse, biete jungen Menschen eine ideale Plattform zur Übernahme ehrenamtlicher Tätigkeit sowie einen Raum für unbeschwertes Aufwachsen.

"Allerdings ist der Sportverein kein Breitbandantibiotikum gegen individuelle und soziale Fehlentwicklungen", stellte Gerlach klar. Daher die Empfehlung: "Der Verein muss sich auf sein Kerngeschäft, die Vermittlung von Sport, konzentrieren, dieses aber pädagogisch ausweisen." Und: "Es muss eine selbstbewusste, aber realistische Einschätzung der Leistungen des Sportvereins geben."

Nach der Präsentation der Studie zeigten sich die anwesenden Sportfunktionäre überrascht von den zahlreichen positiven Ergebnissen. Ein Hinweis darauf, dass eine intensive Beschäftigung mit den Ergebnissen im Vorfeld ausgeblieben ist? "Sie haben intensiv dargestellt, dass der Sportverein mehr ist als eine Saufanstalt", sagte beispielsweise Ingo Weiss, Vorsitzender der Deutschen Sportjugend und Präsident des Deutschen Basketball Bundes. Auch Werner Stürmann schien besänftigt: "Die Studie hat in den wesentlichen Punkten den Erfolg des Sports bestätigt", meinte der Abteilungsleiter Sport im NRW-Innenministerium.

Dennoch wurde das jugendliche Trinkverhalten zum Schwerpunkt der Podiumsdiskussion - und das trotz des vorangehenden penetranten und undifferenzierten Angriffs der Funktionäre auf die Medien, die die Studie lediglich auf ihre negativen Ergebnisse - besonders den Alkoholkonsum im Verein - reduziert hätten.

Erst gegen Ende der Diskussion drängten sich andere Themen auf, beispielsweise die Arbeit einiger Verbände, die Brettschneider in Teilen kritisierte. "Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, der Deutsche Olympische Sportbund und der Landessportbund sind Weltmeister im Entwerfen von Kampagnen und Initiativen, können aber kein einziges empirisches Ergebnis vorlegen", sagte er, woraufhin die Zuhörer erstmals Zwischenapplaus spendeten. Gerlach fügte hinzu: "Sportkampagnen kosten so viel Geld, ihr Erfolg ist aber leider überschaubar."

Auch über die mögliche Unterstützung für die Arbeit Ehrenamtlicher wurde letztlich diskutiert. Es sei klar, dass diese keine Pädagogen zur Behebung sozialer Missverständnisse seien.

Trotzdem müssten die Verbände Programme pädagogischer Art auflegen, damit in Sportvereinen noch bessere Arbeit geleistet werden könne, hieß es auch aus dem Publikum.

von Katharina Bätz

© 2014 Neue Westfälische, 15 - Paderborn (Kreis), Samstag 25. Januar 2014