Gemeinsame Stellungnahme des Kreissportbundes Paderborn und des Stadtsportverbandes Paderborn zur geplanten Umsetzung des Kinderschutzgesetzes
Wer sich ehrenamtlich in der Jugendarbeit engagiert, ist laut Bundeskinderschutzgesetz verpflichtet, ein erweitertes Führungszeugnis vorzulegen. Von dem Gesetz betroffen sind alle öffentlichen und freien Träger der Jugendhilfe, sofern sie Leistungen vom Bund oder der Kommune beziehen, also auch kirchliche Gruppen und Sportvereine. Mit ihnen sollen die zuständigen Jugendämter nun Vereinbarungen treffen, die klären, auf welche Personen sich das Gesetz konkret bezieht. Die Auswirkung dieser Umsetzung auf die Sportvereine empört den Kreissportbund Paderborn (KSB) und den Stadtsportverband Paderborn (SSV) als größten Verband dieser Art in NRW. Sie äußern ihre Zweifel, ob die vom Gesetz vorgeschriebenen Maßnahmen Kindern wirklich mehr Schutz bieten können. In einem sind sich alle Beteiligten einig: Zum Schutz von Kindern und Jugendlichen vor Übergriffen aller Art muss viel getan werden. Und dennoch bereitet das neue Bundeskinderschutzgesetz den Interessenvertretungen der Sportvereine im Kreis Paderborn großes Kopfzerbrechen. Es schreibt vor, dass nicht nur Hauptamtliche, sondern auch die Ehrenamtlichen in der Jugendarbeit künftig ein erweitertes Führungszeugnis vorlegen müssen. Der Kreissportbund und der Stadtsportverband Paderborn fürchten, dass es nun noch schwieriger werden könnte, Ehrenamtliche für den Kinder- und Jugendbereich zu finden.
„Bei 335 Sportvereinen mit über 110.000 Mitgliedern im Kreis sind dies mehr als 20.000 Führungszeugnisse, die von den Vereinen kontrolliert und verwaltet werden müssen,“ erläutert der KSB-Präsident Diethelm Krause den verwaltungsmäßigen Aufwand. Der Stadtsportverband und der Kreissportbund sorgen sich, dass durch die wachsende Bürokratie das Engagement der Ehrenamtlichen eingebremst werden könnte. Die bisherigen Reaktionen aus den Vereinen auf die geplante Umsetzung verheißen nichts Gutes. „Wir rechnen bei sehr enger Auslegung des Gesetzes mit einer hohen Ausstiegsquote aus dem sportlichen Ehrenamt“ befürchtet Diethelm Krause. Weiterhin ist es in der Jugendarbeit schwer, eine Grenze zwischen den Betreuern zu ziehen. Was ist beispielsweise mit dem Vater, der seinen Sohn jede Woche zusammen mit anderen Kindern zum Fußballturnier fährt? Oder die Mutter eines Mädchens, die bei einer Jugendfreizeit spontan eine Wandergruppe anführt? Mit dem bundesweit gültigen Gesetz und der Einsicht ins erweiterte Führungszeugnis erhofft sich der Bund, potenzielle Straftäter rechtzeitig ausfindig zu machen und von der Jugendarbeit auszuschließen.
SSV-Vorsitzender Mathias Hornberger steht der Wirksamkeit des Gesetzes jedoch kritisch gegenüber: "Ich halte eine Einsicht ins erweiterte Führungszeugnis unserer Ehrenamtlichen für das falsche Instrument" sagt er. „Aufklärung und Sensibilisierung aller Beteiligten und eine qualifizierte Unterstützung der Ehrenamtlichen halten wir für die wirksamere Prävention“. Die beiden Verbände sehen in dem Gesetz einen Ausdruck der Ratlosigkeit des Bundes gegenüber Misshandlungen jeder Art, die Kinder und Jugendliche immer wieder erleben. Der Bund vergisst bei der Umsetzung des Kinderschutzgesetzes die wertvolle und immer wieder gelobte Arbeit, die im Ehrenamt für Kinder und Jugendliche gerade im Sport geleistet wird. Wäre nicht eine umfangreiche und gute Präventionsarbeit von Seiten des Bundes sinnvoller? Oder wäre diese teurer und aufwendiger als Millionen Führungszeugnisse ausstellen und von den Vereinen verwalten zu lassen? Im Kreis Paderborn haben Arbeitsgruppen vor den letzten Sommerferien mit den Vorbereitungen der Umsetzung begonnen. Der Sport ist ebenfalls vertreten. Krause und Hornberger haben bereits intensive Gespräche mit den heimischen Bundestagsabgeordneten Burkhard Blienert (SPD) und Carsten Linnemann (CDU) geführt, die sich auf Bundesebene der Ehrenamtsproblematik annehmen wollen. Auch die vier heimischen Landtagsabgeordneten Sigrid Beer (Grüne), Marc Lürbke (FDP), Volker Jung (CDU) und Daniel Sieveke (CDU) sind über die Bedenken der heimischen Sportverbände informiert worden. „Kinderschutz ist eines der wichtigsten Themen und wird bei den Aus-, Fort- und Weiterbildungen des Kreissportbundes schon heute angesprochen. Auch die neue Initiative „Wir bewegen alle Kinder im Kreis Paderborn“ widmet sich diesem wichtigen Thema“, so Hornberger. „Der Verlust von zahlreichen ehrenamtlichen Eltern, Trainern und Betreuern würde einen erheblichen Einschnitt für die Kinder- und Jugendförderung im lokalen Sport bedeuten.“
Der organisierte Sport ist der größte Anbieter von Kinder- und Jugendprogrammen im Kreis Paderborn.
Paderborn, 1. Oktober 2014